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Die Philosophie an der Alma mater Jenensis wurde während der ersten Periode (zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts) wesentlich durch das Denken von Philipp Melanchthon geprägt. Im 17. Jahrhundert wirkte an der Universität mit Erhard Weigel ein herausragender Gelehrter, dessen bedeutendster Schüler Gottfried Wilhelm Leibniz 1663 in Jena studierte. Für die ersten Dezennien des 18. Jahrhunderts sind Franz Budde (Buddeus) und Johann Georg Walch zu erwähnen, die als Kritiker der Philosophie von Christian Wolff hervortraten.
Am Ende des 18. Jahrhunderts erlebte die Jenaer Philosophie einen faszinierenden kometenhaften Aufstieg. Mit der Präsenz der Philosophie von Immanuel Kant und der an sie anschließenden philosophischen Konzepte begann eine der kreativsten Epochen des philosophischen Denkens der Neuzeit – Jena wurde für zwei Jahrzehnte zum Mekka der Philosophie. In den ersten Jahren nach 1785 stand die kantische Philosophie und Frage ihrer angemessenen Interpretation im Zentrum des Interesses. Denker wie die Frühkantianer Christian Gottfried Schütz und Carl Christian Erhard Schmid, der heutige Namenspatron der Universität Friedrich Schiller und der aus Wien stammende Karl Leonhard Reinhold bestimmten die philosophische Szene.
Nach der Berufung von Johann Gottlieb Fichte auf den Reinholdschen Lehrstuhl (1794) und der Initialwirkung seiner frühen Wissenschaftslehre avancierte Jena zum Entstehungsort des Deutschen Idealismus und der Frühromantik. In den folgenden Jahren entzündeten die kritischen Schüler von Reinhold und Fichte ein Feuerwerk neuer philosophischer Ideen. Die Saalestadt beherbergte neben Fichte Friedrich Hölderlin, Friedrich Immanuel Niethammer, Wilhelm Gottlieb Tennemann, Isaac von Sinclair, Jakob Zwilling, Johann Benjamin Erhard, Friedrich Karl Forberg, Immanuel Carl Diez sowie die Brüder Friedrich und Leonhard Creuzer. Auch für Gelehrte wie Alexander und Wilhelm von Humboldt wirkte die thüringische Universität wie ein Magnet. Mit Unterstützung von Johann Wolfgang von Goethe, der sich stets an der philosophischen Debatte in Jena beteiligte, wurde Friedrich Wilhelm Joseph Schelling 1798 nach Jena berufen und entwickelte hier seine neuen Auffassungen von Transzendental- und Naturphilosophie. Die Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel publizieren 1798 die Zeitschrift Athenäum, das Gründungsdokument der Frühromantik, an dem auch Friedrich von Hardenberg (Novalis) und Ludwig Tieck mitarbeiteten. Im Zentrum der äußerst intensiven Debatten stand die Transzendentalphilosophie als die »herrliche Sonne der Jenaer Welt«, wie der englische Student Henry Crabb Robinson schrieb. Im Jahre 1798 erlebte die Alma Mater Jenensis einen der größten akademischen Skandale, den sogenannten Atheismusstreit, der mit der Entlassung Fichtes endete.
Der Beginn der zweiten Phase dieser philosophischen Genieperiode wird durch die Ankunft von Georg Wilhelm Friedrich Hegel im Jahre 1801 markiert. In diese Phase der größten Blütezeit der Philosophie »since the days of Plato« (H. C. Robinson) fällt die wohl einmalige Zusammenarbeit zweier wirkungsmächtiger Denker – Schelling und Hegel (1801–1803) –, das »Symphilosophieren« beider mit Goethe sowie der Übergang von der Transzendental- zur Identitätsphilosophie. In diesen Jahren entstand Hegels Philosophie des absoluten Idealismus mit dem Höhepunkt der Fertigstellung seiner Phänomenologie des Geistes 1806. Die »von Philosophie triefenden Lectionskataloge der Universität« zeigten »eine Musterkarte der mannigfaltigsten philosophischen Standpuncte, von der dogmatisch Wolffschen an bis zu den romantischen Improvisationen der Naturphilosophie« (K. Rosenkranz). Neben Schelling und Hegel lasen die beiden Schlegel, Jacob Friedrich Fries, der später im ukrainischen Charkow lehrende Tranzendentalphilosoph Johann Baptist Schad, Niethammer, der Schulzeaner Johann Friedrich Ernst Kirsten, der romantische Naturphilosoph Johann Wilhelm Ritter und der in der spanischsprachigen Welt häufig rezipierte Karl Christian Friedrich Krause. Die Universität war – so der Schweizer Schelling- und Hegel-Hörer Ignaz P. V. Troxler – »nur eine Fakultät, deren gemeinsame Basis: Philosophie«.
Um 1800 besaß die Jenaer Universität ein außergewöhnliches internationales Flair. Neueste Ergebnisse der europäischen Wissenschaft und Philosophie wurden von renommierten Professoren vorgetragen. Studenten und Gelehrte aus vielen europäischen Ländern weilten an der Salana: der dänische Dichterphilosoph Jens Baggesen und sein Landsmann Johann E. von Berger; der Klagenfurter Freiherr Franz Paul von Herbert; die Schweizer Studenten J. R. E. Fischer und J. R. Steck, die später führend an der Gründung der Helvetischen Republik beteiligt waren; der norwegische Naturphilosoph Henrik Steffens; der ungarische Baron Podmanicky, der eine Privatvorlesung von Schelling hörte; der Engländer H. C. Robinson; die (später) bekannten Philosophen Johann Friedrich Herbart und Karl Friedrich Wilhelm Solger; zahlreiche Kommilitonen aus Russland, aus Frankreich, aus Ungarn und dem Baltikum; auch ein griechischer Mönch studierte bei Schelling Naturphilosophie. Viele der Genannten hatten später großen Anteil an der europaweiten Wirkung der neuen Philosophien aus dem thüringischen Jena und an der Entwicklung der Philosophie im 19. Jahrhundert.
In diesen wenigen Jahren vor und nach 1800 entstanden in Jena so berühmte und wirkungsmächtige Werke wie Reinholds Versuch einer neuen Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens (1789), Schillers ästhetische Schriften, Fichtes erste Wissenschaftslehre (1794), Schellings System des transzendentalen Idealismus (1800), Hegels Phänomenologie des Geistes, Abhandlungen und Fragmente von Hölderlin, Schlegel und Novalis. Es erschienen solche für die Philosophie bedeutsame Zeitschriften wie die Allgemeine Literatur-Zeitung (ALZ), das Niethammer-Fichtesche Philosophische Journal einer Gesellschaft teutscher Gelehrten, das Athenäum der Frühromantik oder das von Schelling und Hegel herausgegebene Kritische Journal der Philosophie. Es fanden so berühmte Lehrveranstaltungen wie die vielbesuchten Auftritte von Reinhold, Fichtes skandalumwitterte Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1794), Schellings Vorträge über Naturphilosophie und Ästhetik, Friedrich Schlegels Vorlesungen über Transzendentalphilosophie (1800/1801) und Hegels erste Kollegs statt.
Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts sind besonders der Naturphilosoph Lorenz Oken sowie Fries und seine Schule zu erwähnen. 1813 promovierte Arthur Schopenhauer und 1841 Karl Marx an der Jenaer Universität. Mit der Berufung von Kuno Fischer, der mit großem Lehrerfolg von 1856 bis 1872 in Jena wirkte, trat wieder die Philosophie Kants und des Deutschen Idealismus ins Zentrum des Interesses. In Gestalt des Fischer-Schülers Otto Liebmann (Verfasser der Programmschrift Kant und die Epigonen und Professor in Jena von 1882 bis 1911) wurde die Universität zu einem der Ausgangspunkte des Neukantianismus. Wilhelm Windelband studierte bei Liebmann in Jena.
Um 1900 war Jena ein Schnittpunkt verschiedener philosophischer Strömungen. Die neoidealistische Tatphilosophie des Nobelpreisträgers Rudolf Eucken gewann großen Einfluss. Zu Euckens Schülern zählten Max Scheler und Eberhard Grisebach, zu seinen Gästen in Jena Henri Bergson. Zu Eucken kamen Studenten aus aller Welt, besonders aus Japan, China, den USA und aus vielen europäischen Ländern; zu erwähnen sind dabei besonders Schüler von John Dewey und der chinesische Philosoph und Politiker Carsun Chang.
Der Neukantianismus wurde neben Liebmann durch Bruno Bauch vertreten; der phänomenologischen Schule stand Paul F. Linke nahe. Ernst Haeckel schuf auf der Basis von Darwins Lehre eine monistische Weltanschauung, deren Anhänger sich 1906 im Monistenbund vereinigten.
In Jena begründete Gottlob Frege die moderne Aussagen- und Prädikatenlogik. Mit seiner Begriffsschrift und seinen Arbeiten zur Sprachphilosophie, Semantik und den Grundlagen der Mathematik wurde er zu einem der Väter der analytischen Philosophie, einer der wichtigsten Strömungen der Philosophie des 20. Jahrhunderts. Ludwig Wittgenstein hat Frege in Jena besucht. In Freges Vorlesungen erhielt der Wissenschaftstheoretiker Rudolf Carnap entscheidende Anregungen, die er in die Philosophie des Wiener Kreises einbrachte. Zugleich war Carnap in das lebensreformerische Milieu der Saalestadt eingebunden, das solche Personen wie der Verleger Eugen Diederichs, der Dilthey-Schüler Hermann Nohl und die Pädagogen Adolf Reichwein und Wilhelm Flitner mitprägten.
Eine Jenaer Besonderheit in diesen Jahren bestand darin, dass hier gerade die Philosophen nach öffentlicher Wirksamkeit drängten. In den Krisenjahren nach dem Ersten Weltkrieg entstanden auf Anregung Jenaer Professoren weltanschaulich ausgerichtete philosophische Bünde, die überregionale Bedeutung erlangten. Bruno Bauch gründete die Deutsche Philosophische Gesellschaft, Rudolf Eucken wurde zur Leitfigur des nach ihm benannten Eucken-Bundes, Max Wundt hatte den Vorsitz der Gesellschaft Deutscher Staat inne. Der Rechtsphilosoph C. A. Emge unterhielt enge Beziehungen zum Nietzsche-Archiv im benachbarten Weimar.
Während der Zeiten des Nationalsozialismus und der kommunistischen Herrschaft kam es zu massiven Einschränkungen der Freiheit der akademischen Lehre und zur ideologischen Erstarrung der Philosophie. Paul F. Linkes, Hans Leisegangs und Max Benses Versuche der Erneuerung der Philosophie nach 1945 waren leider nur von kurzer Dauer. Anfang der 1990er Jahre erfolgte die Neugründung des Instituts für Philosophie.
Mit sechs Professuren gehört das Institut nach wie vor zu den größeren Instituten, die in Deutschland immer seltener werden. Das Institut kann ein breites Lehrangebot sicherstellen und die übersichtlichen lokalen Verhältnisse sowie die direkten Kontaktmöglichkeiten mit allen Lehrenden gewährleisten ein sehr gutes Betreuungsverhältnis.